Flucht aus der DDR im Ballon-Zeitzeugengespräch mit Günter Wetzel

Vergangenen Dienstag durften sich die Zehntklässler der Anton-Jaumann-Realschule Wemding über eine besondere Geschichtsstunde freuen. Günter Wetzel, dessen Flucht in einem Heißluftballon aus der DDR von Bully Herbig 2018 im Film Ballon verfilmt wurde, kam nach Wemding.

Nachdem die Schüler als Vorbereitung den Film gesehen hatten, waren sie gespannt darauf, den Mann, der eine so waghalsige Tat vollbracht hatte, „in echt‟ zu sehen.

Günter Wetzel beschrieb zunächst sehr anschaulich in seinem ersten Teil, warum er aus der DDR flüchten wollte. Er erklärte, wie die Stasi im Westen seine Familie zersetzen wollte, also versuchte, die Familie durch Psychoterror und gestreute Verleumdungen auseinander zu bringen. Dazu zeigte er Auszüge aus seiner Stasi-Akte. Nicht fehlen durfte da der Blick in eine Zelle eines Stasi-Gefängnisses. Besonders unter die Haut gingen die Ausführungen zum Beispiel als Hr. Wetzel erklärte, wie man Kinder ausspionierte, um Informationen über die Eltern zu erhalten. Den Kindergartenkindern wurden zwei Arten von Uhren gezeigt, die im Fernsehen zu sehen waren. Wenn die Kleinen die „Westuhr‟ malten, war bewiesen, dass die Eltern Westfernsehen schauten.

Kaum zu glauben war auch, was Jugendlichen mit langen Haaren, die damals in Mode waren, widerfuhr. Vor allem im Zeitraum des 7. Oktober 1969, dem alljährlichen Feiertag zur Gründung der DDR, waren diese Langhaarigen der SED-Parteileitung von Gera und Pößneck ein Dorn im Auge. So wollte man sich der Öffentlichkeit nicht präsentieren. Vor allem zur Zeit des 20. Gründungstag der DDR wurden die jungen Männer abgefangen und ihnen wurden zwangsweise die Haare kurz geschnitten. Für ihre ungewollte Kurzhaarfrisur mussten sie auch noch bezahlen. Da mutete die Situation der „Schallplattenunterhalter‟, wie die DJs in der DDR damals genannt wurden, noch harmlos an. Ihnen wurde vorgeschrieben, wieviel DDR-Musik gespielt werden musste und welche Songs verboten waren.

Dies und viele andere Schikanen der Diktatur veranlassten Günter Wetzel zusammen mit einem Freund, sich an den Bau eines Ballons zu machen. Dabei war Günter Wetzel derjenige, der mit seinem technischen Sachverstand den Bau vorantrieb, Skizzen anfertigte, tüftelte und improvisierte. Die Materialbeschaffung war äußerst schwierig, durften sie doch auf keinen Fall Aufsehen erregen. Andererseits brauchten sie natürlich meterweise passenden Stoff, der irgendwoher organisiert werden musste. Nicht nur in die „Blechbüchse‟, wie man im Volksmund das Konsument-Kaufhaus in Leipzig nannte, fuhren sie dazu. Auch Materialien wie der Brenner, der Korb und weiteres war nicht ohne sich in Gefahr zu bringen, zu besorgen. Hr. Wetzel elektrifizierte sogar eine alte Nähmaschine, die zunächst per Fußkraft betrieben wurde. Der erste Ballon funktionierte überhaupt nicht, der erste Fluchtversuch scheiterte leider. Die Stasi war den beiden Familien schon auf den Fersen, als sie den zweiten Versuch im September 1979 starteten und sie standen unter Zeitdruck.

Noch beim Abheben galt es einige nicht vorhersehbare Pannen zu meistern. Der Ballon fing Feuer, der Sohn der befreundeten Familie wurde verletzt, als eines der Seile sich nicht durchschneiden ließ. Auch war das Gas schneller als geplant leer und der Ballon sank aus 2000 m Höhe in die Tiefe. Dabei trugen die Insassen erstaunlicherweise nur leichte Verletzungen davon. Nach anfänglicher Unsicherheit, wo sie gelandet waren, waren die beiden Familien überglücklich, als sie erfuhren, im Westen gestrandet zu sein. Nach diesem bewegenden Vortrag entließen die Schüler tief beeindruckt vom Mut des Vortragenden Herrn Wetzel nach einer Fragerunde. Der Vortrag machte den Schülern vor allem bewusst, welch hohes Gut Freiheit und Meinungsfreiheit ist.



S. Ponicki